Solche Wissenschaft liefert, was Politik bestellt

Was “klimafreundlich”, “klimaschonend” oder “klimaneutral” genannt wird, was “Nachhaltigkeit” bedeutet, wie sie sich messen und kontrollieren, vielleicht gar durchsetzen lässt – Fragen dieser Art gehen über den Horizont des gewöhnlichen Volksvertreters genauso weit hinaus wie über den des vertretenen Volkes. Von Konrad Adam

Wenn demnächst der Bundestag über das Heizungsgesetz berät, werden die Experten einen großen Auftritt haben. Nicht in Person natürlich, sondern im Hintergrund, als Eideshelfer für die eine oder andere Partei. Was „klimafreundlich“, „klimaschonend“ oder „klimaneutral“ genannt werden kann, was „Nachhaltigkeit“ bedeutet, wie sie sich messen und kontrollieren, vielleicht sogar durchsetzen lässt – Fragen dieser Art gehen über den Horizont des gewöhnlichen Volksvertreters genauso weit hinaus wie über den des vertretenen Volkes. Was da Vermutung und Versprechen, gesicherte Erkenntnis, verwegene Hoffnung oder blanker Übermut ist, weiß er nicht, kann und will er, parteiisch wie er ist, auch gar nicht wissen. Wenn es zur Abstimmung kommt, folgt er dem Fraktionsvorstand, der sich seinerseits an den Fachmann, die Fachfrau oder, wenn er grün ist, den Fach-Transmenschen hält. Was sonst bleibt ihm denn übrig?

 

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Fachlich anspruchsvolle Entscheidungen überfordern das Parlament – die allermeisten also, denn was ist heute nicht mehr anspruchsvoll – und begünstigen die Spezialisten. Sie ziehen die Fäden und beherrschen das Spiel, indem sie die Sachzwänge konstruieren, die von den einen dann genauso leidenschaftlich verteidigt wie von den anderen bekämpft werden. Ein Gutachten folgt dem anderen, ein Sachverständiger dem nächsten, so lange, bis am Ende ein Haufen von Sachzwängen daliegt, die sich die konkurrierenden Parteien gegenseitig um die Ohren hauen. Für alles, was Frau Merkel in Sachen Haftungsausschluss, Wehrpflicht oder Atomenergie vorgetragen hat, hatte sie ihre Sachzwänge zur Hand; fürs Gegenteil dann auch.

 

Experten gibt es jetzt wie Sand am Meer. Die Frage ist, woran man sie erkennt und was sie taugen. Auch diese Frage lässt sich allerdings nur noch im Rückgriff auf Experten klären: „Was genau sind eigentlich Expert:innen?“ fragt sich – und uns – die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. „Wie erkennt man sie, wenn man selbst nicht über entsprechende Fachkenntnisse verfügt, und wie unterscheidet man ihre Empfehlungen von denen anderer Personen?“ Mit solchen Fragen lädt sie zu einer Vortagsveranstaltung, auf der „Expert:innen” Auskunft geben über sich und ihresgleichen. Die Fachleute entscheiden, wer Fachmensch ist. Sie sind jederzeit und überall zur Stelle, berufen sich auf die Wissenschaft, als wäre sie ihre Tante, und beantworten auch solche Fragen, die niemand gestellt hat.

 

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Von allen Wachstumsindustrien wächst die Wissenschaft am schnellsten. Selbst die Zukunft, bisher Inbegriff des Unerforschlichen, ist zum Gegenstand ihrer Neugier geworden, und was dem Auguren die Vögel waren, das sind dem Zukunftsforscher seine Diagramme. Bei anhaltendem Wachstum, hat einer von ihnen vorausgesagt, werde es mit Anbruch des dritten Jahrtausends, jetzt also, ebenso viele Forscher wie Menschen geben, jeder Mensch also nicht nur ein Künstler, wie von Joseph Beuys versprochen, sondern auch ein Forscher sein. Und wirklich muss man ja nur irgendeinem Wort das Suffix -forschung anhängen, um eine neue Disziplin mit ein paar tausend Arbeitsplätzen zu erschaffen: nach der Männer- die Frauenforschung, nach der Frauen- die Genderforschung, nach der Gender- die Diversitäts- oder Identitätsforschung, ein neues Doppelfach, das unerhörte Wachstumschancen eröffnet, da es ja, will man den Sexualwissenschaftlern glauben, an die sechzig verschiedene Identitäten gibt.

 

Erfolglosigkeit ist kein Einwand gegen diese Art von Forschung. Das Versprechen heute zwar nicht, aber morgen! ist ja der Universalschlüssel, mit dem immer neue Institute eröffnet, immer weitere Projekt an Land gezogen und immer größere Summen beansprucht, zugebilligt und verbraten werden. Robert Habeck ist weder der erste noch der einzige, der sein Haus mit einem Kranz von Arbeitsstellen, Stiftungen und Initiativen umgeben hat, in denen die Studien, die Anleitungen und die Untersuchungen entstehen, auf die sich der Minister berufen kann, wenn es im Bundestag eng für ihn wird. Politik und Wissenschaft arbeiten Hand in Hand, getauscht werden Macht gegen Geld: die Virologen, Klimatologen oder Soziologen liefern die Daten, die es dem Chef erlauben, öffentlich gut dazustehen. Und der sich dann bedankt, indem er seine Zuträger mit Aufträgen versorgt, mit Geld und Stellen. So ging es zu Zeiten von Corona, so geht es zu Zeiten der Energie-, der Klima- und der Verkehrs-Wende, und so wird´s weitergehen, so lange die Wendepolitiker im Amt sind. Gegen eine wissenschaftlich verbürgte Wahrheit sei jede Opposition sinnlos, hatte Helmut Schelsky vor Jahrzehnten gelehrt; das haben seine Schüler nicht vergessen. Sie haben die Wissenschaft dienstbar gemacht, die seither nicht nur eine, sondern alle möglichen Wahrheiten hervorbringt. Der Politik ist das genauso schlecht bekommen wie der Wissenschaft.

Auf die Frage: Wie leben Sie? Was macht die Kunst? lässt Lessing, der es ja wissen musste, den Maler antworten: Prinz, die Kunst geht nach Brot. Die Wissenschaft auch. Und sie will immer mehr davon, denn auch hier kommt der Appetit beim Essen. Die deutsche scientific community ist breit aufgestellt und tief gegliedert: die vornehmsten Adressen sind die Max-Planck-Gesellschaft und die Deutsche Forschungsgemeinschaft, zuständig für die Grundlagenforschung. Die Institute der Helmholtz- und der Leibniz-Gemeinschaften kümmern sich um die anwendungsnahe, die Fraunhofer-Gesellschaft um die angewandte Forschung, die Acatech um das Produkt aus beiden, die Technik. Darüber hinaus gibt es die Industrieforschung, die Universitäten und die alteingesessenen Akademien; und damit längst noch nicht zu Ende.

 

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Dass neben diesen bewährten Institutionen auch noch die Leopoldina in Halle und die Preußische Akademie der Wissenschaften, wenngleich unter neuem Namen, wiederbelebt worden sind, hatte politische Gründe. Die Bundesregierung hatte schon seit langem nach einer Gelegenheit gesucht, die ihr erlaubte, in der Wissenschaftspolitik, die aus historischen Gründen überwiegend in die Kompetenz der Länder fiel, lauter mitzureden als bisher. Der Bankrott der DDR bot sie, und Angela Merkel griff zu. Indem sie beide Einrichtungen in den Rang von National-Akademien erhob, verpflichtete sie sich beide. Wer sich an die dienstfertigen Kommentare erinnert, mit denen Mitglieder dieser Institutionen die Corona-Politik der Bundesregierung begleitet haben, der erkennt, wie gut ihr das gelungen ist.

 

Für die vielen Kleinforschungsunternehmen, die sich im Schatten der Wissensgesellschaft niedergelassen haben, ist Unabhängigkeit ein schönes, aber fernes Ziel. Sie müssen sich nach der Decke strecken und tun das auch. Dutzende von ihnen haben sich allein in Berlin angesiedelt, wo sie im Dunstkreis der Regierung empirische Sozialforschung betreiben. Sie hangeln sich von einem Projekt zum nächsten, immer gepeinigt von der Angst, dass das nächste auch das letzte sein könnte, weil der zuständige Minister gewechselt hat und zusammen mit seiner Gunst auch sein Geld verschwunden ist: ein unwürdiger Zustand, den das Demokratieförderungs-Gesetz beenden will. Wenn es durchkommt, werden Haushaltsmittel in Höhe von 200 Millionen, bisher als Zuschüsse deklariert, auf Dauer fließen. Profitieren würden die Netzwerke, Vereine, Stiftungen, Arbeitsgemeinschaften und NGO´s, denen die Ampel-Koalition schöne Augen macht, weil sie im „Kampf gegen rechts” Verbündete braucht. Die gemeinsame Argumentation läuft etwa so: Wer gegen uns ist, ist rechts. Wer rechts ist, ist Faschist. Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Verbrechen müssen verhindert werden. Deshalb kann es für „Rechte” keine Meinungsfreiheit geben.

Bisher galt das als anfechtbarer Syllogismus. Das würde sich aber ändern, wenn das Demokratieförderungsgesetz durchkommt. Dann könnte diese Pseudophilosophie auch vor Gericht Eindruck machen, vielleicht sogar Bestand haben. Im Namen der Demokratie hätte die Regierung einen Sieg über die Meinungsfreiheit errungen, ihren ersten und hoffentlich auch ihren letzten.

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